Obwohl sich jede Organisation engagierte Mitarbeitende wünscht, ist die innere Kündigung in (fast) jeder Organisation ein bekanntes Phänomen. Grösstenteils wird nichts dagegen unternommen, was in Anbetracht der Auswirkungen umso erstaunlicher erscheint.
Definition innere Kündigung
Bei der inneren Kündigung handelt es sich um eine Arbeitshaltung, die sich durch innerliches Distanzieren von den Inhalten, Aufgaben und Arbeitskollegen kennzeichnet. Im Alltag macht sich die innere Kündigung häufig durch eine negative Stimmung, Interessenlosigkeit und verminderter Motivation bzw. Leistungsbereitschaft bemerkbar. Oft wird in diesem Zusammenhang auch von „Dienst nach Vorschrift“ gesprochen.
Hinweis: Die oben beschriebenen Merkmale können auch auf psychische Beeinträchtigungen oder Erkrankungen hinweisen. Die Verhaltens- und/oder Leistungsveränderungen sollten in beiden Fällen in einem Gespräch unter vier Augen thematisiert werden, damit die Mitarbeitenden rasch die notwendige Unterstützung erhalten.
Gründe für innere Kündigung
Es wird angenommen, dass die innere Kündigung als Reaktion auf ein wahrgenommenes Ungleichgewicht zu verstehen ist. Einerseits kann ein Ungleichgewicht entstehen, wenn Erwartungen der Mitarbeitenden dauerhaft nicht erfüllt werden. Dies stellt aus Sicht der Mitarbeitenden einen Bruch des psychologischen Vertrags – dem impliziten Vertrag zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden – dar. Andererseits kann das Erleben einer Gratifikationskrise – Kombination eines hohen Engagements und einer geringen Belohnung – zu einem wahrgenommenen Ungleichgewicht führen. In beiden Fällen wird das Engagement reduziert, um wieder ein Gefühl von Ausgeglichenheit und Gegenseitigkeit herzustellen.
Arbeitsbezogene Faktoren wie ein Mangel an Wertschätzung, Unterstützung oder Handlungs- und Entscheidungsspielraum, Sinnhaftigkeit oder Entwicklungsmöglichkeiten spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.
Wieso entscheiden sich Mitarbeitende für die innere Kündigung statt einer tatsächlichen? Einige Mitarbeitende kündigen nicht formal, weil sie finanzielle Einbussen befürchten. Es kann aber auch sein, dass Mitarbeitende ausserhalb der Organisation schlicht keine Alternativen für sich sehen.
Verbreitung
Anhand des Forschungsprojekts „Engagement fördern – innere Kündigung vermeiden“ (siehe Quelle unten) konnte gezeigt werden, dass das Phänomen der inneren Kündigung in Deutschland weit verbreitet ist: Beinahe 80% der Befragten Personen gaben an, dass ihnen Personen in ihrer Organisation bekannt sind, die Merkmale innerer Kündigung aufweisen.
Dennoch: 70% der Befragten gaben an, dass das Thema in ihrer Organisation nicht thematisiert wird. An was mag das liegen? Handelt es sich um ein Tabuthema oder scheint das Thema zu komplex, um es systematisch anzugehen? Spannend ist auch, dass der Anteil von innerlich gekündigten Mitarbeitenden im eigenen Unternehmen tiefer geschätzt wird als in Deutschland insgesamt. Die Autoren des Berichts vermuten, dass dies auf einen blinden Fleck in der Wahrnehmung des Themas in der Organisation hindeuten könnte.
Auswirkungen
Die innere Kündigung kann sich auf alle Ebenen einer Organisation auswirken. Zum Beispiel kann die innere Kündigung auf organisationaler Ebene zu weniger Qualität und Produktivität, auf Teamebene zu schlechteren sozialen Beziehungen und Mehrarbeit sowie auf individueller Ebene zu einer Verschlechterung der physischen und psychischen Gesundheit führen.
Umgang mit innerer Kündigung – Massnahmen
Das Phänomen innere Kündigung sollte auf mehreren Ebenen angegangen werden, weil die innere Kündigung einzelner Mitarbeitenden möglicherweise auf mangelhafte Strukturen und Prozesse zurückgeführt werden kann. Eine Analyse im Sinne eines systemischen Vorgehens ist daher genauso zentral wie das Gespräch mit einzelnen Mitarbeitenden.
Wichtige Massnahmen im Zusammenhang mit der inneren Kündigung und Engagement sind u.a.:
- Die Passung von Person und Aufgabe: Mitarbeitende sollten weder über- noch unterfordert werden. Zudem sollten die Bedürfnisse der Mitarbeitenden möglichst beachtet werden.
- Führungskultur: Eine kontinuierliche Entwicklung von Führungskompetenz und einer gesundheitsorientierten Führungskultur stärkt das Engagement der Mitarbeitenden nachhaltig.
- Führungsinstrumente: Führungsinstrumente wie Mitarbeitendengespräche sollten so eingesetzt werden, dass sie Engagement fördern und nicht reduzieren.
- Mitarbeitendenbefragung: Durch regelmässige Mitarbeitendenbefragungen können (un-)günstige Rahmenbedingungen erkannt und thematisiert werden.
- Soziale Beziehungen: Führungskräfte sind in ihrer Führungskompetenz besonders gefordert, wenn sie sicherstellen wollen, dass sich eine innere Kündigung nicht nachteilig auf das gesamte Team auswirkt.
- Kommunikation: Regelmässige formelle und informelle Kommunikation z.B. in Form von Teambesprechungen oder auch gemeinsamen Mittagessen stärkt das Zugehörigkeitsgefühl und das Engagement.
Reflexion
- Wie verbreitet ist das Phänomen der inneren Kündigung bei Ihnen in der Organisation?
- Was wird dagegen getan bzw. wie wird Engagement in der Organisation aktiv gefördert?
- Was hindert Sie allenfalls das Thema anzugehen? Was ist der Preis, den die Organisation dafür bezahlt?